Berühmt mit 60

Erst im Alter wurde Anton Bruckner die verdiente Anerkennung zuteil. Die siebte Sinfonie brachte ihm den Durchbruch.

Anton Bruckner hatte die seltsamste Karriere unter allen großen Komponisten. Mit 21 wurde er Hilfslehrer. Mit 31 Domorganist. Mit 40 wurde sein erstes Werkgedruckt: „Der Germanenzug“ für Männergesangsverein und Militärkapelle, der bis zu seinem Tod und lange darüber hinaus sein meistgespieltes Stück blieb. Mit 45 machte Bruckner sich dann einen Namen als Orgelvirtuose. Aber erst mit 60 fand das statt, was man seinen Durchbruch nennen kann.

Er erlebte „die glücklichste Woche meines Lebens“, nachdem in einem Konzert mit seiner Musik „unbeschreiblicher Jubel und Enthusiasmus“ geherrscht hatte. Kein Wunder: Gerade einmal zwei weitere Werke hatte er vorher veröffentlichen können, die dritte Sinfonie 1879 und das Streichquintett 1884. Und die katastrophale Aufführung der dritten Sinfonie in Wien 1877, bei der im Finale fast das gesamte Publikum den Saal verlassen hatte, steckte ihm noch in den Knochen.

Doch dann brachte die siebte Sinfonie die Wende: Arthur Nikisch führte sie am 30. Dezember 1884 in Leipzig (im Stadttheater, nicht im Gewandhaus!) erstmals mit großem Erfolg auf, es folgte am 10. März 1885 Hermann Levi in München. Er war es, der jenen unbeschreiblichen Jubel und Enthusiasmus hervorrief, den Bruckner erwähnt. Und der die Sinfonie gar als „bedeutendstes sinfonisches Werk seit Beethovens Tod“ bezeichnete.

Einige Takte der Musik, die zu diesem späten Glück führten, sind hier in Bruckners Handschrift abgebildet. Es ist die berühmte Stelle vor dem Buchstaben „X“ im Adagio (dreimal in die Partitur eingetragen), an der die Totenklage um Richard Wagner beginnt. Bruckner war mitten in der Arbeit an diesem Satz, als ihn die Nachricht von Wagners Tod erreichte, und will den folgenden Teil „zum Andenken an den Hochseligen, heißgeliebten unsterblichen Meister“ geschrieben haben.

Das Autograph der Sinfonie Nr. 7 E-Dur wird in der Österreichischen Nationalbibliothek (Mus.Hs. 19479) aufbewahrt und ist wie zahlreiche andere Bruckner-Quellen digital auf bruckner-online.at kostenlos zugänglich.

Eingeleitet wird sie von Wagner-Tuben (die obere Stimme ist von dem aufgeklebten Blatt verdeckt), die Bruckner hier erstmals in einer Sinfonie verwendet und für deren Notwendigkeit er sich immer wieder stark gemacht hat. Noch kurz vor der Leipziger Uraufführung fragte er bei Nikisch an, ob der nicht wenigstens Militär-Tuben auftreiben könne. Und auch Felix Mottl teilte er 1885 brieflich mit: „Nimm sicher die Tuben. (Hörner ersetzen keinesfalls die Tuben.)“

Doch nicht nur die Frage der Instrumente hat Bruckner im Vorfeld stark beschäftigt. Er wollte unbedingt bei einigen Proben dabei sein, denn es sei „in der Partitur vieles Wichtige nebst häufigem Tempowechsel nicht angemerkt“, wie er Nikisch schrieb. Und er wollte unbedingt wissen: „Wie klingt das Werk mit Orchester gespielt?“ Nikisch wies ihn darauf hin, dass er einige Stellen werde „ändern müssen in der Instrumentation, da sie unpraktisch geschrieben sind und nicht schön klingen“. Diese Änderungen sind anscheinend in das hier abgebildete Autograph eingeflossen, auf dessen Grundlage die erste Edition 1885 erstellt wurde.

Auf Nikisch soll auch der auffallendste Eingriff in die Partitur zurückgehen: die Einfügung von Pauken, Triangel undBecken, die an dieser Stelle auf einer Extraseite ergänzt sind (sie sind unterhalb der Oboenstimme zu sehen). Das ist interessanterweise so geklebt, dass der berühmte Beckenschlag bereits vorbei ist, wenn das auf dieser Seite Notierte erklingt: Hier sind nur noch die letzten Töne der Pauke zu hören, die alleine weiterspielt, nachdem sie gemeinsam mit Triangel und Becken im dreifachen Fortissimo eingesetzt hat. Der Einsatz der Instrumente ist auf der Seite davor bei „W“ angemerkt: „Tympani, Triangel u. Becken unter die Trombonen“.

Gut zu sehen ist dafür auf der eingeklebten Seite die Notiz „gilt nicht“, die die Einfügung wieder rückgängig macht, allerdings nicht in Bruckners Handschrift. So einfach wie hier hat man es sonst nie bei den verschiedenen Fassungen Brucknerscher Werke: Man kann die Stimmen spielen oder auch einfach weglassen, ohne weitere Eingriffe in die Partitur vornehmen zu müssen.

Erschienen in FONO FORUM 1/2016